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Jan Gerber
Das »Staatssubjekt Kapital«. Heinz Langerhans und seine
Gefängnisthesen
Vorwort zu: Heinz Langerhans: Staatssubjekt Kapital. Texte zur Diskussion
um Faschismus, Krieg und Krise, Halle 2004
I. Im Mai 1935 erschien in der von Paul Mattick redigierten International
Council Correspondence ein thesenförmiger Aufsatz mit dem Titel »The
Next World Crisis, the Second World War and the World Revolution«.
[1] Das Manuskript hatte zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bereits
einen langen Weg hinter sich: Im Juli 1934 in einem nationalsozialistischen
Zuchthaus auf Zigarettenpapier verfaßt, von einer Besucherin aus
dem Zuchthaus geschmuggelt, erreichte es seinen Adressaten Karl Korsch
Ende 1934 im Exil.
Heinz Langerhans (1904-1976), Autor des Manuskripts und »Schüler«
Korschs, wurde im Dezember 1933 bei der Herstellung einer antifaschistischen
Zeitung verhaftet. [2] Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Landesverrats
und beantragte eine Strafe von fünfzehn Jahren Freiheitsentzug. Korsch,
der sich zum damaligen Zeitpunkt bei Brecht im dänischen Exil aufhielt,
bemühte sich daraufhin um den Nachweis, daß die inkriminierten
Informationen – zumeist Nachrichten über Rüstungsvorgänge
im nationalsozialistischen Deutschland – im Ausland bereits vor
Drucklegung der von Langerhans vervielfältigten Zeitung bekannt waren.
Schwedische Anarchosyndikalisten druckten auf seine Bitte eine Publikation
mit den entsprechenden Meldungen und datierten das Blatt zurück;
Harald Andersen-Harild, ein dänischer Linkskommunist, schmuggelte
ein Exemplar nach Deutschland und ließ es Langerhans’ Verteidiger
zukommen. Langerhans wurde daraufhin nicht wegen Landesverrats, sondern
»nur« wegen Hochverrats verurteilt und mit drei Jahren Zuchthaus
bestraft. Bei seiner Entlassung wartete vor dem Tor der Haftanstalt bereits
die Polizei auf ihn. Langerhans wurde der Gestapo übergeben, die
ihn ins Konzentrationslager Sachsenhausen brachte. Im Rahmen einer Amnestie
aus Anlaß des 50. Geburtstages Adolf Hitlers wurde er im April 1939
schließlich gemeinsam mit etwa 2.000 weiteren, willkürlich
ausgewählten Häftlingen begnadigt.
Da Langerhans mit einer erneuten Verhaftung rechnete, ging er zunächst
nach Belgien ins Exil. Unter dem Eindruck des Hitler-Stalin-Paktes aktualisierte
er hier seine Thesen und ließ sie abermals Korsch zukommen. [3]
Als die Wehrmacht die Benelux-Staaten im Mai 1940 überrannte, überquerte
Langerhans die französische Grenze. In Frankreich wurde er erneut
festgenommen und in ein Internierungslager gebracht, aus dem er jedoch
entkommen konnte. Mit Hilfe Korschs, des Matteotti-Komitees, Fritz Heines
und des inzwischen in New York ansässigen Frankfurter Instituts für
Sozialforschung – Langerhans hatte 1931 bei Horkheimer promoviert
und war zeitweilig als Assistent am Institut tätig – erhielt
er daraufhin Papiere und ein Einreisevisum für die USA. Im Mai 1941,
fast genau ein Jahr nach seiner Flucht aus Belgien, wurde er von Felix
Weil, dem Gründer des Instituts für Sozialforschung, in New
York in Empfang genommen.
II. Ebenso wie August Thalheimer, Otto Bauer, Leo Trotzki u.a. analysiert
Langerhans Faschismus in seinen Thesen zunächst nach dem Muster der
Marxschen Studien über die Klassenkämpfe in Frankreich. [4]
Diese Untersuchungen übten in den 1920er und 1930er Jahren eine enorme
Anziehungskraft auf undogmatische sozialistische und kommunistische Intellektuelle
aus. Der Grund: Die darin entwickelten Modelle des »Klassengleichgewichts
der Schwäche« und der »verselbständigten Exekutivgewalt«
[5] boten nicht nur die Möglichkeit, die holzschnittartige Faschismustheorie
der Komintern – Faschismus als Agent der Großbourgeoisie –
mit Verweis auf den längst kanonisierten Begründer des »wissenschaftlichen
Sozialismus« zurückzuweisen. Sie bedienten zugleich das Bedürfnis,
das neuartige Phänomen Faschismus mit Marxschen Kategorien zu fassen.
Die Bourgeoisie, so faßt Marx die Bedingungen des Staatsstreichs
Louis Bonapartes im Dezember 1851 – das zentrale Erkenntnisinteresse
seiner zweiten Frankreich-Studie (»Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte«)
– zusammen, hatte »die Fähigkeit, die Nation zu beherrschen,
schon verloren«, die Arbeiterklasse hatte »diese Fähigkeit
noch nicht erworben«. [6] In ähnlicher Weise skizziert Langerhans
die Situation in den späten 1920er und frühen 1930er Jahren:
Das Selbstverständnis und die Selbstsicherheit der Bourgeoisie sind
zutiefst erschüttert; von der revolutionären Arbeiterbewegung
bzw. der Komintern ist nur »ein verstümmeltes, zerbröckelndes
Fossil« geblieben.
Während August Thalheimer in seiner berühmten Faschismus-Schrift
von 1930 streng dem Marxschen Modell folgt – er begreift Faschismus
als modernes Äquivalent des Bonapartismus [7] –, strapaziert
Langerhans die Analogien nicht über. Anders als Thalheimer führt
er den Aktionszerfall der Arbeiterbewegung nicht auf eine unmittelbare
Niederlage des Proletariats zurück. Der Niedergang der Arbeiterbewegung,
so legt er dar, »war nicht so sehr Folge einzelner revolutionärer
Niederlagen, sondern vor allem Folge der Lähmung und Zersetzung,
die die tatsächliche Verknüpfung von Arbeiterbewegung mit sozialreformerischen
und politischen revolutionären Aufgaben [...] bewirkte«. Die
Arbeiterbewegung schickte sich bis 1914 an keiner Stelle an, den »Rahmen
der auf Lohnarbeit und Kapital beruhenden Staats- und Gesellschaftsform«
zu durchbrechen; die bis 1917 angesammelten revolutionären Energien
waren mit »nationalen Aufgaben« beschäftigt. Als die
Arbeiter 1917 schließlich in eine Situation traten, »in der
sie nur weltrevolutionär siegen konnten«, handelten sie aufgrund
ihrer unzureichenden organisatorischen und ideellen Vorbereitung nur im
nationalen Rahmen. [8] Die nationalstaatlich begrenzten Revolutionen im
Westen scheiterten; in der Sowjetunion wurde der Aufbau des »Sozialismus
in einem Land« verkündet. Diese Entwicklung hatte verheerende
Folgen für das Agieren der revolutionären Arbeiterbewegung:
In dem Maße, in dem sich die Komintern von einer Agentur der Weltrevolution
in ein außenpolitisches Büro der Sowjetunion verwandelte, traten
der Schutz und Aufbau des »Arbeiter- und Bauernstaates« an
die Stelle der weltrevolutionären Aktivitäten der kommunistischen
Parteien.
Langerhans’ Ausführungen unterscheiden sich jedoch nicht nur
in Hinblick auf den Aktionszerfall der Arbeiterbewegung von den Studien
anderer undogmatischer Marxisten dieser Zeit. Auch die Frage nach den
Ursachen der Paralyse der Bourgeoisie im Vorfeld der faschistischen »Machtübernahme«
beantwortet er anders als Thalheimer, Trotzki usw. Geht die Mehrzahl der
kritischen Marxisten bei ihrer Analyse des Nationalsozialismus vor allem
klassenanalytisch bzw. herrschaftssoziologisch vor, erweist sich Langerhans
im besten Sinne als Kritiker der politischen Ökonomie. Ähnlich
wie Alfred Sohn-Rethel wenige Jahre nach ihm legt er dar, daß die
Entstehung des nationalsozialistischen Regimes ohne Berücksichtigung
der strukturellen Krise der Kapitalverwertung in den 1920er und frühen
1930er Jahren nur unzureichend gedeutet werden kann. Er interessiert sich
dementsprechend weniger für konkrete Bündnisse zwischen Nationalsozialisten
und verschiedenen »Kapitalfraktionen«. Ebenso wie Sohn-Rethel
begreift Langerhans die Interessendifferenzierungen als »von vornherein
vermittelt, d.h. nicht erst der ›Gesamtkapitalist‹ oder die
stärkste Monopolgruppe als politischer Repräsentant erzwingen
den Interessenausgleich, sondern dieser entwickelt sich aus den Problemen
der Kapitalverwertung am Kulminationspunkt der Reproduktionsschwierigkeiten
des ökonomischen und politischen Systems insgesamt«. [9]
Die »ursprüngliche Akkumulation« des Nationalsozialismus
datiert Langerhans dann auch nicht auf die Zerfallsperiode der Weimarer
Republik. Die faschistische Epoche, so deutet er vielmehr an, beginnt
bereits mit dem Ersten Weltkrieg. Die Produktivkräfte waren, wie
er eindrucksvoll ausführt, bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr
mit dem liberalen System des Konkurrenzkapitalismus kompatibel. [10] Sie
drohten schon während des Krieges, »das auf Lohnarbeit und
Kapital beruhende Nationalstaatensystem zu zersprengen«. [11] Nach
Einstellung der Kampfhandlungen und der Niederlage der Weltrevolution
konnten die Produktivkräfte zwar wieder »zu friedlichem Geschäfte«
in das kapitalistische Weltsystem eingezwängt werden. Aber –
und auch hier nimmt er Sohn-Rethels Analysen aus den Jahren 1937 bis 1941
vorweg –: »Sobald die bis 1913 angesammelten, im 1. Weltkrieg
zerstörerisch entfesselten und seitdem weiter gesteigerten produktiven
Kräfte ein paar Jahre einigermaßen in Gang gesetzt waren, trat
in den großen Weltkrisen der Gegenwart zutage, daß der Rahmen
des auf Lohnarbeit und Kapital beruhenden nationalstaatlichen Gesellschaftssystems
bereits zur drückenden Fessel für die Produktivkräfte geworden
ist. Zwar gelingt es in den Nachkriegskrisen, sie wieder an das Produktionsverhältnis
Lohnarbeit-Kapital und den kapitalistischen Verwertungsprozeß zu
fesseln, und in den nationalstaatlichen Rahmen einzufügen, aber die
Kapazität des industriellen Apparats kann auch in der Prosperität
nicht voll ausgenutzt werden.« [12]
Diese Reorganisation des Verwertungsprozesses nach dem Ende des Ersten
Weltkrieges, so lautet Langerhans’ zentrale These, korrespondierte
mit einer Veränderung der bis dahin existierenden Formen von Staat
und Kapital. Die von den Theoretikern der Zweiten und Dritten Internationale
konstatierte Trennung von Ökonomie und Politik, so beschreibt er
das Ende der liberalen Epoche des Kapitalismus, wurde mit dem Ersten Weltkrieg
aufgehoben. Der Staat ist, wie Langerhans ausführt, nicht länger
bloß »ideeller Gesamtkapitalist«; Krieg und Weltkrisen
haben Kapital und Staat vielmehr zu »einem einzigen Schutzpanzer«
eingeschmolzen: »Aus dem automatischen Subjekt Kapital mit dem Garanten
Staat als besonderem Organ ist das einheitliche Staatssubjekt Kapital
geworden.« [13] Mit anderen Worten: Die Selbstverwertung des Werts
– der Vorgang, auf den Marx mit der Formel »automatisches
Subjekt« verweist – kann nur noch mit Hilfe des Staates gewährleistet
werden. Der Staat verwandelt sich vom »Nachtwächter«
in einen gigantischen Konflikt- und Krisenmanager: »Nationale Beschränkung
der Produktion«, so Langerhans, »wird Methode der Krisenüberwindung.
[...] An die Stelle privatwirtschaftlicher Rentabilität tritt nationalwirtschaftliche
Rentabilität. Das Staatssubjekt Kapital organisiert den inneren Markt,
reguliert – ein nationales ›Generalkartell‹ –
die Preise.« [14]
In dieser Phase der Verschmelzung von Staat und Kapital, des Aktionszerfalls
der Arbeiterbewegung und der Paralyse der Bourgeoisie betritt die faschistische
Bewegung – von Langerhans in Übereinstimmung mit zahlreichen
zeitgenössischen undogmatischen Marxisten zunächst als Repräsentant
des Mittelstandes begriffen [15] – die politische Bühne als
eine dritte Kraft: »Aufgeschreckt durch Krieg und Krise ›erwachte‹,
als die Arbeiter abgekämpft, die Bürger aber durch beispiellose
Weltkrisen erschüttert waren, der ›Mittelstand‹. Ihm
ist das Zwielicht zwischen den großen Entscheidungen die bekömmlichste
Beleuchtung. Er entwickelt den ›neuen Aktivismus‹, hat Einfälle,
redet in Zungen. Er entdeckt, daß man eigentlich gar keiner Klasse,
sondern einem Stande angehört.« Der Mittelstand rückt
in Staatsstellen auf und verleibt sich »teilweise persönlich
dem Staatssubjekt Kapital ein«. [16]
Lesen sich Langerhans’ ökonomiekritische und krisentheoretische
Ausführungen in vielerlei Hinsicht wie eine – wenn auch fragmentarische
– Vorarbeit zu den Faschismus-Studien Alfred Sohn-Rethels, gehen
seine staats- und klassentheoretischen Überlegungen weit über
dessen entsprechende Arbeiten hinaus: So erkennt Sohn-Rethel zwar die
im NS-Staat vollzogene politische Entmachtung der Bourgeoisie im Interesse
der Reproduktion des Kapitals. Ihm entgeht jedoch – ähnlich
wie dem Großteil der kritischen Marxisten dieser Zeit – ein
weiteres zentrales Merkmal des Nationalsozialismus: die »Enteignung
der Arbeiterbewegung im Interesse der Reproduktion der Arbeit«.
[17] Zwar werden die Zerschlagung der »Klassenorgane der Arbeiter«
und die »großzügige Reorganisation der Kapitalistenklasse«
– Schaffung des »Reichsstandes der Deutschen Industrie«,
Fünfjahresplan usw. – auch von Langerhans als die vordringlichsten
Taten des Staatssubjekts Kapital benannt. Zugleich weist er allerdings
darauf hin, daß auch das Proletariat und »alle übrigen
Schichten« weitgehenden Veränderungen unterworfen werden: »Das
Staatssubjekt Kapital erzwingt sich das Monopol auf Klassenkampf. [...]
Eine rücksichtslose soziale Pazifierungsaktion mit dem Zweck der
›organischen‹ Einfügung des Kapitalteils Lohnarbeit in
den neuen Staat wird eingeleitet.« [18]
Mit diesen Äußerungen verweist Langerhans auf ein Phänomen,
das selbst von der intellektuellen Avantgarde der Arbeiterbewegung zu
erkennen sich geweigert wird – und erst in Adornos »Reflexionen
zur Klassentheorie« wieder Erwähnung findet: Der faschistische
Sozialpakt ist keine Propagandalüge der Nazis; die Volksgemeinschaft
ist vielmehr die Aufhebung der Klassengesellschaft auf dem Boden der Klassengesellschaft.
[19]
Mit dieser Verbrüderung von Arbeit und Kapital siegt, wie Langerhans
in einem Seitenhieb auf Kautsky, Bernstein usw. ausführt, nicht nur
»die einzig mögliche Sozialreform gegen die Arbeiter«.
[20] Die »Monopolisierung des Klassenkampfes« im Nationalsozialismus,
so erklärt er 1973 noch einmal unter Berufung auf seine Gefängnisthesen,
dementiert zugleich die Faschismusinterpretation der Komintern. Faschismus
ist nicht die reaktionärste Form des Kapitalismus. Der Faschismus
»ist gegenüber dem liberalen Kapitalismus vielleicht sogar
fortschrittlich« – was, wie er mit Hilfe der verstaubten Kategorie
des »objektiven Interesses« ergänzt, »über
ihn vom proletarischen Standpunkt aus natürlich nicht behauptet werden
kann«. [21]
III. Langerhans beschreibt in seinen Gefängnisthesen zwar vorrangig
die Entwicklung in Deutschland. Dennoch begreift er die Verschmelzung
von Staat und Kapital nicht als deutsche Spezialität. Seine Ausführungen
stellen, wie von Gerhard Scheit mehrfach betont, vielmehr »eine
der frühesten, wenn nicht überhaupt die erste Totalitarismustheorie
auf der Grundlage des Marxschen Kapital« dar. [22]
Insbesondere in seinen universalistischer – und im Vergleich zu
seinen Gefängnisthesen teilweise auch konventioneller – gehaltenen
Thesen von 1939 interpretiert Langerhans die Veränderungen in der
Sowjetunion ähnlich wie die Entwicklung im Dritten Reich. Im Gegensatz
zu den Vertretern des totalitarismustheoretischen Mainstreams argumentiert
er jedoch nicht aus einer Position der Affirmation der bürgerlichen
Demokratie heraus. Seine Ausführungen ähneln in dieser Hinsicht
eher den etwa zeitgleich verfaßten Beiträgen des Horkheimer-Pollock-Kreises
über das Ende des liberalen Zeitalters, »Staatskapitalismus«
und »autoritären Staat«. [23] Die »Verschmelzung
von Staat und Kapital sowohl in Form der zentralen Planwirtschaft des
bolschewistischen Staatskapitalismus als auch in Form der korporativen
Selbstdisziplin des Kapitals unter Staatskontrolle im Faschismus«,
so legt Langerhans 1973 mit Rückgriff auf seine Untersuchungen aus
den 1930er Jahren dar, sind die Strukturformel der nachliberalen Epoche
des Kapitalismus. [24] Auch die – »im ganzen andersartige«
– Politik des ersten New Deal läßt, wie er in den Gefängnisthesen
ausführt, die Herausbildung eines Staatssubjekts Kapital erkennen.
Sämtliche Differenzen zwischen den Entwicklungen in den verschiedenen
Staaten sind nicht fundamentaler Art, sondern lediglich in den »Unterschieden
der nationalen Geschichte« begründet. [25]
Durch den Krieg, so führt Langerhans diese Argumentation kurz nach
dem deutschen Überfall auf Polen weiter, wird die »Faschisierung«
der großen Demokratien beschleunigt: »Wenn der Krieg einen
größeren Umfang annehmen sollte als seine Vorläufer und
ebenso wie diese Vorläufer keine durchschlagende Gegenbewegung auslöst,
so wird als sein Ende der planetarische faschistische Rat wahrscheinlich...«
[26] Die »faschistische Weltrevolution« tendiert dazu, so
argumentiert Langerhans schließlich in Anlehnung an Kautskys Imperialismustheorie,
ein »ultra-imperialistische[s], internationale[s] Generalkartell«
hervorzubringen. [27]
Langerhans führt diese Entwicklung nicht nur auf das Anwachsen der
Produktivkräfte seit dem Ersten Weltkrieg zurück. Die »neuen
monopolistischen Formen von Staat und Kapital«, so erklärt
er in seinen Gefängnisthesen, sind gleichzeitig Produkt der siegreichen
Konterrevolution. Wie auch Korsch – die Kritik des Stalinismus gehörte
bereits in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre zu den zentralen Programmpunkten
des von Korsch herausgegebenen Diskussionsblattes Kommunistische Politik
(KomPol) – sieht er das »eigentümliche bolschewistisch-faschistische
Zwielicht« in der Dialektik von Revolution und Konterrevolution
begründet. Zwar bleibt es, wie Langerhans darlegt, »unauslöschbarer
Ruhmestitel der russischen Oktoberrevolution, daß in ihrer ersten,
heroischen Phase die russischen Revolutionäre [...] den Versuch machten,
ihre russische Revolution als die beginnende Weltrevolution voranzutreiben«.
[28] Die Kräfte des revolutionären Proletariats reichten jedoch
nicht aus, um dieses Ziel konsequent zu verfolgen: Sowjetrußland
blieb international isoliert; die Bevölkerung litt unter den Folgen
von Krieg und Bürgerkrieg. Spätestens ab 1920/21 steuerte die
russische Revolution daher auf ein Desaster (Mißernten, Hungersnöte,
Rückgang der industriellen Produktion usw.) zu. Um die Katastrophe
abzuwenden, so Detlev Claussen in seinem Vorwort zu Boris Nikolajewskis
»Brief eines alten Bolschewiken«, »mußte die Revolution
in eine Reform transformiert werden«. [29] Erstes Resultat dieser
Transformation war die Verkündung der Neuen Ökonomischen Politik
(NEP) 1921. Die Revolution wurde national verstaatlicht; der Parteiapparat
– eigentlich für die Vorbereitung und Durchführung der
Weltrevolution geschaffen – wurde, wie Langerhans ausführt,
in ein Instrument zum »Einpauken der ursprünglichen Akkumulation
des Kapitals mit all seinen Konsequenzen« umgewandelt: [30] Mit
der Einführung der NEP »war der Übergang von der Utopie
der sofortigen organischen Organisation der Arbeitswelt zur politischen
Ökonomie, d.h. zu Kapital und Lohnarbeit, Herrschaft und Ausbeutung
vollzogen«. [31] Es siegte damit »nicht einfach die bürgerliche
Konterrevolution gegen die Arbeiterrevolution, sondern die nationale Beschränkung
der revolutionären Kämpfe, ihre übergreifend nationale
Entstehungsgeschichte und Aufgabe behaftete von vornherein auch die ›russische‹
Revolution mit dem Elemente der Konterrevolution. Jeder nationale Sieg
der Revolution war als ein solcher bereits konterrevolutionär.«
[32]
Ebenso wie die Revolution konterrevolutionäre Züge annimmt,
nimmt jedoch auch die Konterrevolution revolutionäre Momente in sich
auf. Revolutionen, so erklärt Langerhans in seinen Gefängnisthesen,
»siegen konterrevolutionär, Konterrevolutionen revolutionär«.
[33] Damit wird zweierlei angedeutet: 1. Faschismus und Nationalsozialismus
sind nicht, wie von den Theoretikern der Komintern behauptet, die zeitgenössischen
Ausdrucksformen eines militanten besitzbürgerlichen Konservativismus.
Die faschistischen Bewegungen bemühten sich, wie Zeev Sternhell vierzig
Jahre nach der Erstveröffentlichung der Gefängnisthesen ausführlich
beschreibt, vielmehr um eine »Synthese zwischen den Kräften
der Vergangenheit und den Erfordernissen der Zukunft, zwischen dem Gewicht
der Tradition auf der einen Seite und dem revolutionären Enthusiasmus
auf der anderen«. [34] 2. Durch das Ausbleiben der Weltrevolution,
die Veränderung des Charakters der Oktoberrevolution und den damit
verbundenen Aufbau einer »totale[n] monopolistische[n] Staatsbürokratie«
verwandelte sich die russische Revolution in eine »monopolistische
Modell-Revolution«: »Die Antibolschewisten«, so Langerhans,
»machen sich die Lehren des Bolschewismus zu eigen und schränken
sie auf ein Maß ein, das die monopolistischen Herrschaftsbedürfnisse
diktieren.« [35] Max Horkheimer, der in seinem Aufsatz »Autoritärer
Staat« zahlreiche Gedanken Langerhans’ – bewußt
oder unbewußt – aufgreift und weiterführt [36], beschreibt
1940 eine ähnliche Entwicklung: »Wenngleich die Abschaffung
der Staaten auf ihrem [der KPdSU; J.G.] Banner stand, hat jene Partei
ihr industriell zurückgebliebenes Vaterland ins geheime Vorbild jener
Industriemächte umgewandelt, die an ihrem Parlamentarismus kränkelten
und ohne den Faschismus nicht mehr leben konnten.« [37]
Ab 1944 – das Ende des Nationalsozialismus ist abzusehen –
versucht Langerhans schließlich, seine Kritik am Stalinismus praktisch
werden zu lassen. Er wird Mitarbeiter der von Ruth Fischer – 1924/25
Vorsitzende der KPD und 1926 wegen »ultralinker« Positionen
aus der Partei ausgeschlossen – herausgegebenen antistalinistischen
Zeitschrift Network. In der ersten Ausgabe der Network-Pamphlets veröffentlicht
er einen offenen Brief an die deutschen Emigranten in den USA: »Hitler
hat viel zum Begreifen des inneren Mechanismus des Stalin-Reiches beigetragen.
Stalin hat im deutsch-russischen Krieg, der der Brennpunkt der entscheidenden
Kriegsphase gewesen ist, vieles dazugelernt. Da der Hitlerismus nun zugrunde
geht, ist der Stalinismus unser Hauptfeind.« [38] Theoretisch bleibt
Langerhans zwar auf Distanz zum Antikommunismus des beginnenden Kalten
Krieges. [39] Mit dem Aufdecken tatsächlicher oder vermeintlicher
Stalinisten- und GPU-Netzwerke – einem der Hauptziele des Network-Kreises
– begibt er sich praktisch jedoch in die Nähe des späteren
»Komitees gegen unamerikanische Umtriebe«. Während Korsch
auf Distanz zu Langerhans geht – er will keine Unterstützung
für die Kriegsmacht USA leisten –, zeigt Horkheimer zumindest
Verständnis für sein Verhalten, führt es allerdings recht
paternalistisch auf die Erfahrungen im Konzentrationslager zurück:
»...sein Geist«, so Horkheimer in einem Brief an Felix Weil,
»scheint gestört zu sein. Es ist eine Tatsache, daß die
meisten Menschen, die in einem Konzentrationslager festgehalten wurden,
die Spuren der Hölle in sich tragen.« [40]
IV. »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt,
wählt den Krieg.« Mit dieser Losung agitiert die KPD 1932 gegen
die Wahl Paul von Hindenburgs zum Reichspräsidenten. Die NSDAP, so
die Argumentation, sei eine Marionette jener Kräfte, die bereits
während des Ersten Weltkrieges nach der Weltmacht gegriffen hätten.
Mit Hilfe der Nazis solle der Versuch von 1914 wiederholt werden; die
»am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente
des Finanzkapitals« [41] würden erneut nach der Neuverteilung
der Einflußsphären und der Eroberung ausländischer Rohstoffquellen
streben.
Ebenso wie die KPD warnt auch Langerhans bereits in der ersten Hälfte
der 1930er Jahre vor neuen militärischen Auseinandersetzungen; in
seinen Gefängnisthesen von 1934 sagt er für 1940 einen zweiten
Weltkrieg voraus. Er teilt insofern zwar die Kriegsbefürchtungen
seiner früheren Genossen (– Langerhans war seit 1922 Mitglied
des Kommunistischen Jugendverbandes, 1926 wurde er wegen »Korschismus«
aus der KPD ausgeschlossen). Zugleich distanziert er sich jedoch von den
Ergebnissen ihrer Ursachenforschung: »Man hat sich zumeist begnügt,«
so führt er in Hinblick auf die marxistischen Analysen des Ersten
Weltkrieges aus, »die kapitalistische Kriegsursache zu erklären,
es muß aber die kapitalistische Struktur des Weltkrieges, seine
Funktion im gesellschaftlichen Gesamtprozeß begriffen werden, damit
der Vorgang selber, sein Verlauf, seine Wirkung, sein Resultat klar wird.«
[42] Anders als in früheren militärischen Auseinandersetzungen,
so deutet Langerhans an, besteht die zentrale gesellschaftliche Funktion
moderner Kriege nicht mehr in der Gewinnung von Bodenschätzen und
anderen »Reichtümern«, sondern in der Vernichtung von
Kapital.
Im Zentrum seiner Argumentation steht demzufolge weniger die Kategorie
des »konkreten ökonomischen Interesses«, sondern –
ebenso wie bei seiner unmittelbar damit verwobenen Analyse des Nationalsozialismus
– der Begriff der Krise. Die Wechsel zwischen Krieg und Frieden,
so führt Langerhans aus, sind in der Epoche des Monopolkapitalismus
in den industriellen Zyklus einbezogen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges
hat nicht, wie verschiedentlich behauptet [43], eine schlimmere Krise
verhindert. Er ist vielmehr mit der Krise identisch bzw. eine »spezifische
Strukturkrise«: [44] »In der Weltkriegskrise war Vernichtung
Gegenstand einer über das eigne Maß hinaus gesteigerten Produktion.
Indem die Industrie zur Kriegsindustrie umgestellt wurde, wurde die Krisenvoraussetzung
innerhalb der Krise noch einmal gesetzt, die Überproduktion trat
als Produktion von Vernichtungsmaterial noch einmal auf und vollbrachte
das spezielle Werk einer jeden Krise, Vernichtung von nicht verwertbarem
Wert. [...] Die Überproduktion, indem sie Krieg produzierte, war
scheinbar verwertbare Produktion geworden. Sie hatte also auf einmal Sinn
bekommen, wie das Sterben im Drahtverhau und der Hunger im Hinterland
Sinn hatte, einen unmenschlichen, kapitalistischen Sinn.« [45]
Durch die Verwandlung von Staat und Kapital in das Staatssubjekt Kapital
gelingt es nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zwar, die 1914 kriegerisch
entfesselten Produktivkräfte wieder in den kapitalistischen Verwertungsprozeß
einzubinden. Das Krisenmanagement mißlingt jedoch notwendigerweise:
Das Staatssubjekt Kapital kann lediglich »eine andere Verteilung
der periodisch sich einstellenden Überproduktion und des damit verbundenen
gleichzeitigen Hungers innerhalb der Staatswirtschaft bewirken«.
[46]
Aus dieser Einsicht sowie der Beobachtung der Rüstungsvorgänge
im Dritten Reich zieht Langerhans 1934 seine bemerkenswerte Schlußfolgerung:
Die während des Ersten Weltkrieges kriegerisch entfesselten und seither
weiter gesteigerten Produktivkräfte können nur noch in Form
eines zweiten Weltkrieges krisenhaft zur Entfaltung kommen. »Es
zeigt sich immer deutlicher, daß die Krisenüberwindungskampagne
der neuen monopolistischen Staatswirtschaften zugleich den Charakter von
Rüstungsmaßnahmen haben. Mehr und mehr ist die Rüstung
der Inhalt gerade der vorwärtstreibenden industriellen Energie (Motorisierung,
Flugwesen, Chemie etc.). In großem Maßstabe, in Produktionsplänen
auf weite Sicht wird explosibles Material gehäuft und gestapelt.
[...] So bereitet sich, teils in bewußter Planung, teils hinter
dem Rücken der Beteiligten der 2. Weltkrieg vor.« [47]
Langerhans kann dieses gewaltsame Aufeinandertreffen der verschiedenen
nationalstaatlichen Krisenlösungsstrategien nur so präzise voraussagen
– und das zeigt zugleich die Grenzen seiner totalitarismustheoretischen
Ausführungen auf –, weil das zentrale Objekt seiner Beobachtungen
nicht das faschistische Italien, das Amerika des ersten New Deal oder
die Sowjetunion ist, sondern Nazideutschland. So nimmt er die Verschmelzung
von Staat und Kapital zwar durchaus richtig als globale Tendenz wahr.
Da er die »Unterschiede der nationalen Geschichte«, die er
an anderer Stelle noch erwähnt, in diesem Zusammenhang jedoch vernachlässigt
und seine Beobachtungen der nationalsozialistischen Entwicklung allgemein
setzt, bieten seine Gefängnisthesen keine Antwort auf die zentrale
Frage: Warum wird der Krieg vom »nationalsozialistischen ›Staatssubjekt
Kapital‹ – und nicht vom ›New-Deal‹-Staat Roosevelts
oder gar vom ›Sozialismus in einem Lande‹ Stalins, aber auch
nicht vom italienischen oder spanischen Faschismus – so nahe sie
auch (vor oder im Krieg) dem NS-Staat standen – entfesselt und bis
zuletzt, als Vernichtungskrieg, in Gang gehalten«? [48]
Diese Frage, die sich Langerhans 1934, fünf Jahre vor Beginn des
Krieges, selbstredend noch nicht stellen kann, ist in der Tat nur zu beantworten,
wenn das Wissen um die globale Tendenz der Verschmelzung von Staat und
Kapital mit dem Wissen um die »Unterschiede der nationalen Geschichte«
und Entwicklung in Beziehung gesetzt wird. Gerade diese Unterschiede sind
es, die Deutschland zur »Avantgarde« bei der Bewältigung
der Krise werden lassen. Das deficit-spending, das John Maynard Keynes
seit Ende der 1920er Jahre allen Staaten empfiehlt, so verweist Gerhard
Scheit auf diese nationalen Besonderheiten, »funktionierte vor dem
Krieg eigentlich nur in Deutschland, und das hat seinen Grund. Nur in
Deutschland wurde jenes einheitliche Staatssubjekt Kapital, von dem Langerhans
spricht, vollkommen realisiert, nur hier ist die rücksichtslose soziale
Pazifierungsaktion mit dem Zweck der ›organischen‹ Einfügung
des Kapitalteils Lohnarbeit in den neuen Staat so konsequent durchgeführt
worden, daß sie zugleich und im selben Maß Kriegsvorbereitung
war; nur hier hatten alle Krisenüberwindungskampagnen direkt oder
indirekt den Charakter von Rüstungsmaßnahmen; und nirgendwo
sonst wurde vor 1939 so viel explosives Material gehäuft und gestapelt.«
[49]
V. Karl Korsch, der den Gefängnisthesen bei ihrer Erstveröffentlichung
eigene Bemerkungen voranstellt, weist in seinem Kommentar auf einen Widerspruch
in Langerhans’ Argumentation hin: So konstatiert Langerhans einerseits
den vollständigen Zerfall der Arbeiterbewegung und die Integration
des Proletariats in den NS-Staat. Andererseits sieht er – in Analogie
zu 1917/18 – mit dem Zweiten Weltkrieg zugleich die Möglichkeit
neuer weltrevolutionärer Aktivitäten entstehen. »Die weltrevolutionäre
Zersprengung von Staat und Kapital«, so Langerhans, »ist eine
greifbar konkrete Aufgabe geworden.« [50] Korsch stellt in diesem
Zusammenhang eine durchaus angebrachte Frage: Wenn sich das Proletariat
mit dem neuen Staat arrangiert hat, wer ist dann Träger der von Langerhans
erwähnten Massenaktionen? [51]
Da auch Korsch 1934/35 noch nicht daran zweifelt, daß das Proletariat
revolutionär handeln wird, kritisiert er jedoch nicht die falsche
Schlußfolgerung Langerhans’. Er stellt vielmehr die empirische
Grundlage – die Integration der Arbeiterklasse in den nationalsozialistischen
Staat – in Frage. Langerhans unterliege der irrigen Vorstellung,
so Korsch, »daß dem faschistischen Staat die von ihm proklamierte
›Monopolisierung des Klassenkampfes‹ in seinen beiden gegensätzlichen
Erscheinungsformen als Kampf der Lohnarbeit gegen das Kapital und des
Kapitals gegen die Lohnarbeit tatsächlich wenigstens zeitweise und
im nationalen Maßstabe gelinge«. Damit werde die »Angriffs-
und Verteidigungskraft der heute triumphierenden faschistisch-nationalsozialistischen
Konterrevolution in ungeheurer und für die Entwicklung der proletarischen
Gegenbewegung in schädlicher Weise überschätzt«.
[52]
Angesichts seiner sonstigen Einsichten erstaunt Langerhans’ Glaube
an revolutionäre Aktivitäten der Arbeiterklasse in der Tat.
Während andere Marxisten 1933, kurz nach der Ernennung Hitlers zum
Reichskanzler, noch von einem schnellen Ende des Nationalsozialismus sprechen,
gibt sich Langerhans bereits zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren Illusionen
hin. In seiner Widerstandsgruppe, so erinnert er sich später, habe
er in dieser Zeit erklärt, man müsse so arbeiten, daß
man auch im zehnten Jahr des Dritten Reiches noch da sei – und stieß
mit dieser Aussage verständlicherweise auf Empörung. [53]
Vierzig Jahre nach Niederschrift der Gefängnisthesen auf den Widerspruch
zwischen solchen Äußerungen und dem nahezu zeitgleich präsentierten
Glauben an revolutionäre Aktionen der Arbeiterklasse befragt, weigert
sich Langerhans zwar, seine optimistischen Aussagen auf Voluntarismus
zurückzuführen. Ein Kommentar zeigt jedoch, daß es sich
bei den entsprechenden Bemerkungen von 1934 tatsächlich vor allem
um die Wiedergabe von Wunschvorstellungen handelt: Als Marxist, so Langerhans
1973, dürfe man »auch in der Phase der Konterrevolution nicht
jede revolutionäre Perspektive aufgeben«. [54]
Langerhans schreckt in seinen Gefängnisthesen jedoch nicht nur, wie
diese Äußerung nahelegt, vor den Konsequenzen seiner eigenen
Gedanken zurück. Sein Vertrauen in revolutionäre Massenaktionen
ist zugleich auf eine weitere Leerstelle in seinen Beobachtungen zurückzuführen:
Zwar weist er am Rande der Thesen darauf hin, daß die Krise auf
mentaler Ebene von einem gesellschaftlichen Krisenbewußtsein antizipiert
und sekundiert wird. Das Staatssubjekt Kapital, so lautet sein Verweis
auf die »Ideen von 1914« und die parteiübergreifende
Verherrlichung der »Schützengrabenerlebnisse« des Ersten
Weltkrieges, beschwört den »Frontgeist zur Ankurbelung und
Bedienung des industriellen Apparates, der die Fabrikmarke ›Weltkrieg‹
noch deutlich lesbar an sich trägt«. [55] Das zentrale Integrationsmoment
der NS-Gesellschaft – und damit zugleich die zentrale Differenz
zwischen dem Dritten Reich und anderen Formen des »totalitären
Staates« –: der Antisemitismus, findet bei Langerhans allerdings
keine Erwähnung.
Erst der Antisemitismus erlaubt jedoch die – von Langerhans mit
der Formel der »›organischen‹ Einfügung des Kapitalteils
Lohnarbeit in den neuen Staat« umschriebene – totale Identifikation
mit dem Staatssubjekt Kapital, wie sie nur in Deutschland zu beobachten
ist; erst mit Hilfe des Antisemitismus gelingt es, die innere Widersprüchlichkeit
des neuen Staates in volksgemeinschaftlicher Harmonie aufzulösen
und das Staatssubjekt Kapital vollkommen zu realisieren. So muß
der Staat, um die in den Gefängnisthesen beschriebenen »vermehrten
Funktionen« – Monopolisierung des Klassenkampfes, Durchführung
sozialer Pazifierungsaktionen usw. – effektiv ausüben zu können,
gegenüber seinem liberalen Vorgänger in zweierlei Hinsicht eine
neue Gestalt annehmen: »Erstens«, so Ulrich Enderwitz in seinem
Aufsatz »Faschismus und Postfaschismus«, »muß
er selber ein pseudo- oder quasirevolutionäres Aussehen [...] annehmen;
d.h. er muß sich der Klasse, die er zum Teufelspakt mit dem Kapital
führen will, im wie immer trügerischen Charakter einer sie repräsentierenden
oder vielmehr inkorporierenden sozialistischen Aufbruchsbewegung assimilieren.
Zweitens muß er zu der bürgerlichen Klasse, seinem bisherigen
Realfundament und Arbeitgeber, auf Distanz gehen, muß er gegen die
bürgerliche Klasse sich verselbständigen, sich von ihr emanzipieren,
muß er mithin die Statur [...] einer über die gesellschaftlichen
Prozesse [...] und über die gesellschaftlichen Ressourcen [...] vergleichsweise
autokratisch eigenmächtig verfügenden und bürokratisch
selbstherrlich wachenden, unbürgerlich arbiträren Agentur und
völkisch totalitären Instanz gewinnen.« [56]
Enderwitz führt etwa sechzig Jahre nach der Erstveröffentlichung
der Langerhans-Thesen aus, wie der nationalsozialistische Staat auf diesen
Widerspruch zwischen pseudosozialistisch-politischem Mittel und kapitalistisch-ökonomischem
Zweck »mit reflexhafter Aggressivität gegen dasjenige am kapitalen
Zweck [reagiert], was dessen Gegensatz zum quasisozialistischen Mittel
gesellschaftlich sichtbar werden läßt«: [57] Der NS-Staat
braucht das »Faszinosum und Schreckensbild des zwischen Raffgier
und Schmarotzertum, Schatzbildung und Wohlleben, zwischen abstraktivem
Tanz ums goldene Kalb und privatem Konsumrausch changierenden Liberalitätsjuden
mehr denn je, um an diesem systemtranszendenten Ersatzobjekt den antibürgerlichen
Affekt abzureagieren, den jener systemimmanente Widerspruch in ihm wachruft«.
[58] Als Repräsentant des »kleinen Mannes« ist er darauf
verwiesen, »die antibürgerlichen und antikapitalistischen Ressentiments
zu bedienen, in denen die notwendig krisenhaften Konsequenzen der kapitalistischen
Verwertung vom Kapital abgespalten und auf empirische Personen –
die Juden – projiziert werden«. [59] Enderwitz kann zeigen,
wie sich der nationalsozialistische Staat aufgrund seiner widersprüchlichen
Konstitution im Laufe der Zeit in einen »vom Wahnsinn geschüttelten
Leviathan« verwandelt. Der Versuch, einen krisenfreien Kapitalismus
zu organisieren, realisiert sich schließlich in Form einer »monströsen,
von einer grundlegenden Verschiebungsleistung gekennzeichneten Tathandlung«
[60]: der Vernichtung der europäischen Juden.
Daß Langerhans den zentralen Stellenwert des Antisemitismus im NS-Staat
bei der Niederschrift seiner Thesen übersieht und das Unvorstellbare
nicht vorhersehen kann, ist ihm ebensowenig vorzuwerfen wie seine Vernachlässigung
der nationalen Besonderheiten bei der Herausbildung des Staatssubjekts
Kapital. Er befindet sich damit in prominenter Gesellschaft. [61] Langerhans
ist 1934 verständlicherweise weder in der Lage, sich den Versuch
der Krisenlösung – die zentrale Aufgabe des Staatssubjekts
Kapital – anders als nach dem Muster des Ersten Weltkrieges vorzustellen.
Noch kann er die Entwicklung Deutschlands zur »Avantgarde«
der Krisenbewältigung zu diesem Zeitpunkt voraussehen. Mit seinen
Verweisen auf die neuen Formen von Staat und Kapital, die Herausbildung
des Staatssubjektes Kapital und die »organische« Einfügung
des »Kapitalteils Lohnarbeit in den neuen Staat« liefert er
jedoch eine der präzisesten – und frühesten – Analysen
der ökonomischen und soziopolitischen Rahmenbedingungen, in denen
der zentrale Selbstfindungsakt der Volksgemeinschaft stattfinden konnte.
VI. Nach 1945 teilt Langerhans, der bis 1972 im Universitätsbetrieb
tätig ist, das intellektuelle Schicksal zahlreicher seiner politischen
Weggefährten aus der Weimarer Republik und der NS-Zeit: Diejenigen,
die den historischen Materialismus in den 1920er und frühen 1930er
Jahren so geschickt auf sich selbst anwenden, sind dazu nach 1945 nur
noch bedingt in der Lage. Die historisch-empirische Grundlage ihrer Nachkriegsstudien
endet am Vorabend der Reichspogromnacht bzw. im Vorfeld des 1941 beginnenden
Massenmordes an den europäischen Juden. Ihre Faschismusanalysen kommen
– auch wenn sie dem sowjetmarxistischen Agententheorem immer noch
weit voraus sind – ohne jede Erwähnung des Antisemitismus aus.
Diese Ignoranz gegenüber dem zentralen Moment des Nationalsozialismus
verführt den kritischen Marxisten Langerhans schließlich zu
Äußerungen, die aus den Totalitarismus-Diskussionen revisionistischer
Historiker hinlänglich bekannt sind: Der Terror-Aspekt des Nationalsozialismus,
so führt er 1973 in einem Interview aus, habe diejenigen nicht überraschen
können, »die im Widerstand gegen die Stalinisierung, wie z.B.
die Korsch-Gruppe, alle diese Methoden schon erfahren und erkannt hatten«.
[62] Die berechtigte Kritik am Stalinismus wird damit zum Hilfsmittel
bei der Verharmlosung des nationalsozialistischen Terrors und des deutschen
Vernichtungswahnes; die parallel dazu formulierte Kritik an Staat und
Kapital ist vor diesem Hintergrund immer auch Abwehr-Instrument.
Fußnoten
[1] International Council Correspondence 8 (1935). Unter dem Titel »Die
nächste Weltkrise, der zweite Weltkrieg und die Weltrevolution«
veröffentlicht in: Heinz Langerhans: Staatssubjekt Kapital. Texte zur
Diskussion um Faschismus, Krieg und Krise, Halle 2004.
[2] Zu den biographischen Daten vgl. Michael Buckmiller: Anmerkungen zu
Heinz Langerhans und seinem Bericht über das »Buch der Abschaffungen«
von Karl Korsch, in: Archiv für die Geschichte des Widerstandes und
der Arbeit 8 (1988); ders.: Einleitung, in: Karl Korsch: Gesamtausgabe.
Bd. 8. Hrsg. v. Michael Buckmiller u.a., Amsterdam 2001.
[3] Erschienen unter H.L.: Krieg und Faschismus, in: Der Freidenker 5/6,
7/8, 9/10, 11/12 (1940); unter dem selben Titel wiederveröffentlicht
in: Heinz Langerhans: Staatssubjekt Kapital. Auf diese Veröffentlichung
beziehen sich die folgenden Zitate. Eine englische Variante erschien unter:
Alpha [Heinz Langerhans]: The historical Character of the War and the Taste
of the Working Class, in: Living Marxism 1 (1940).
[4] Karl Marx: Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850 [1850],
in: ders., Friedrich Engels: Werke (MEW). Bd. 7; ders.: Der 18. Brumaire
des Louis Bonaparte [1852], in: MEW 8.
[5] Marx umschreibt die Bedingungen, die den Staatsstreich Louis Bonapartes
im Dezember 1851 ermöglichten, in seinem »18. Brumaire«
bekanntlich folgendermaßen: 1. Das Proletariat trat aufgrund seiner
Niederlage während des Juli-Aufstandes 1848 in den Hintergrund der
politischen Bühne; die Bourgeoisie war infolge innerer Auseinandersetzungen
paralysiert. Es herrschte ein »Klassengleichgewicht der Schwäche«.
2. Da die Bourgeoisie ihre ökonomische Reproduktion nicht mehr mit
Hilfe des Parlaments gewährleisten konnte, verbündete sie sich
mit einer in dieser Situation neu entstandenen dritten Kraft: den von Louis
Bonaparte repräsentierten Parzellenbauern und »Deklassierten
aller Klassen«. 3. Um ihre soziale Herrschaft zu retten, übergab
die Bourgeoisie ihre politische Herrschaft in Form der Exekutive schließlich
an Bonaparte. Diese – nunmehr verselbständigte – Exekutivgewalt
wurde von der Bourgeoisie als der ersehnte Repräsentant und Garant
ihrer Interessen begriffen.
[6] Karl Marx: Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalrats
der Internationalen Arbeiterassoziation [1871], in: MEW 17, S. 337 ff.
[7] August Thalheimer: Über den Faschismus, in: Wolfgang Abendroth
(Hrsg.): Faschismus und Kapitalismus. Theorien über die sozialen Ursprünge
und die Funktion des Faschismus, Frankfurt am Main 1974, S. 27.
[8] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 20.
[9] Johannes Agnoli u.a.: Einleitung der Herausgeber, in: Alfred Sohn-Rethel:
Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus. Aufzeichnungen
und Analysen. Hrsg. v. Johannes Agnoli u.a., Frankfurt am Main 1973, S.
10.
[10] Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 26 f.
[11] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 18.
[12] Ebd. Die durch das »Dilemma der Rationalisierung« hervorgerufene
Krise, so Sohn-Rethel, habe die »tragenden materiellen Elemente einer
sozialistischen Produktionsweise im Schoße des Kapitalismus«
sichtbar gemacht. »Hätte der Kapitalismus damals überwunden
und beseitigt werden können, so wären diese Produktionsverhältnisse
sozialistische geworden. Statt dessen blieben seine metakapitalistischen
oder, sagen wir, sozialistoiden Elemente in die Bedingungen des Kapitalismus
eingeschlossen.« Sohn-Rethel, S. 52.
[13] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 19.
[14] Ebd.
[15] Vgl. hierzu Richard Saage: Faschismustheorien, 4. Auflage, Baden-Baden
1997, S. 86-130.
[16] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 21.
[17] Initiative Sozialistisches Forum: Materialismus und Barbarei, in: Kritik
und Krise 6 (1993), S. 3.
[18] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 19.
[19] Vgl. Theodor W. Adorno: Reflexionen zur Klassentheorie [1942], in:
ders.: Gesellschaftstheorie und Kulturkritik, Frankfurt am Main 1975, S.
10 f.
[20] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 21.
[21] Michael Buckmiller, Jörg Kammler: Revolution und Konterrevolution.
Eine Diskussion mit Heinz Langerhans, in: Heinz Langerhans: Staatssubjekt
Kapital, S. 44. Langerhans spricht hier zwar – ganz im linken Mainstream
der Zeit stehend – verallgemeinernd von »Faschismus«.
Anders als in seinen Thesen von 1939 steht im Zentrum seiner Ausführungen
von 1934 und 1973 jedoch der Nationalsozialismus.
[22] Gerhard Scheit: Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von
Vernichtung und Volkswohlstand, Freiburg 2001, S. 47.
[23] Vgl. hierzu ders.: Totalität und Krise des Kapitals. Zur Kritik
des Totalitarismus-Begriffs, in: Streifzüge 4 (2000).
[24] Langerhans: Revolution und Konterrevolution, S. 45.
[25] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 19.
[26] Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 23.
[27] Ebd., S. 34. Vgl. auch Karl Kautsky: Der Imperialismus, in: Die Neue
Zeit 2 (1914). Kautsky führte vor dem Ersten Weltkrieg aus, daß
es nicht notwendig zu einem Krieg kommen müsse. Viel logischer sei
die Überwindung der »nationalen Kapitalismen« und die gemeinsame
Verwaltung der Welt durch eine »heilige Allianz der Imperialisten«
bzw. einen Ultraimperialismus. Horkheimer erklärte 1940 gegen solche
Vorstellungen, wie sie teilweise auch von Pollock vertreten wurden, daß
ein »Weltkartell« unmöglich sei, »es schlüge
sogleich in Freiheit um«. Er hielt stattdessen die Herausbildung zweier
»freundlich-feindliche[r] Staatenblocks« für wahrscheinlich.
Max Horkheimer: Autoritärer Staat [1940/42], in: ders.: Gesammelte
Schriften. Bd. 5. Hrsg. v. Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt am Main 1987,
S. 310.
[28] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 20 f.
[29] Detlev Claussen: Seismographie einer weltgeschichtlichen Katastrophe,
in: Boris Nikolajewski: Brief eines alten Bolschewiken, Frankfurt am Main
1992, S. 16.
[30] Langerhans: Revolution und Konterrevolution, S. 44.
[31] Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 27.
[32] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 21.
[33] Ebd.
[34] Zeev Sternhell: Faschistische Ideologie. Eine Einführung, Berlin
2002, S. 95.
[35] Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 26, 25, 27.
[36] Zumindest Langerhans’ Thesen von 1939 dürften Horkheimer
bekannt gewesen sein. Korsch schickte Pollock einen Durchschlag des Manuskripts,
um ihn am Institut für Sozialforschung zirkulieren zu lassen. Vgl.
Karl Korsch: Brief an Ossip K. Flechtheim vom 12. Januar 1940, in: ders.:
Gesamtausgabe. Bd. 9. Hrsg. v. Michael Buckmiller, Amsterdam 2001, S. 843
f.
[37] Horkheimer: Autoritärer Staat, S. 298.
[38] Heinz Langerhans: Das Ende der deutschen politischen Emigration. Ein
Brief an einige Emigranten, in: Network Pamphlet 1 (1944), S. 10, zit. nach
Buckmiller: Einleitung, S. 35 f.
[39] Michael Buckmiller verweist in diesem Zusammenhang auf eine bislang
unveröffentlichte Arbeit Langerhans’ mit dem Titel »How
to overcome Totalitarianism?«. Buckmiller: Anmerkungen, S. 3.
[40] Max Horkheimer: Brief an Felix Weil von 1943, in: ders.: Gesammelte
Schriften. Bd 17. Hrsg. v. Alfred Schmidt, Frankfurt am Main 1996, S. 397,
zit. nach Scheit: Die Meister der Krise, S. 50.
[41] Diese Formulierung findet sich zwar erst 1935 in Georgi Dimitroffs
Abrechnung mit den früheren Faschismustheorien der Komintern. (Die
Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale
im Kampf für die Einheit der Arbeiterbewegung gegen den Faschismus,
in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.): VII.
Kongreß der Kommunistischen Internationale, Referate und Resolutionen,
Berlin (Ost) 1975, S. 93.) Einige Äußerungen von KPD-Funktionären
aus der Zeit der Reichspräsidentenwahlen 1932 lesen sich allerdings
wie eine Vorwegnahme des berühmten Formel Dimitroffs.
[42] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 17.
[43] Vgl. den Hinweis bei Scheit: Die Meister der Krise, S. 29.
[44] Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 48.
[45] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 17 f.
[46] Ebd., S. 19.
[47] Ebd., S. 19 f. In seinen Thesen von 1939 fällt Langerhans stellenweise
wieder hinter diese Erkenntnisse zurück. Zwar verweist er auch hier
auf einen »dunklen Automatismus«, der hinter den verschiedenen
Akteuren wirkt. Langerhans: Krieg und Faschismus, S. 25. Zugleich greift
er jedoch wieder auf Personifizierungen zurück und berichtet von »Staatsmagnaten,
Diplomaten« und »politische[n] Leiter[n]«, politischen
Führern, die »uns in ein arbeitsfremd verbautes monopolistisches
Weltsystem« führen. Ebd., S. 34.
[48] Scheit: Totalität und Krise des Kapitals, S. 7
[49] Ebd. Äußerst instruktiv hierzu: Sohn-Rethel, S. 137.
[50] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 21.
[51] Karl Korsch: Bemerkungen zu den Thesen »Die nächste Weltkrise,
der zweite Weltkrieg und die Weltrevolution« [1935], in: Karl Korsch:
Gesamtausgabe. Bd. 5. Hrsg. v. Michael Buckmiller, Amsterdam 1996, S. 705
ff.
[52] Ebd., S. 706 f.
[53] Langerhans: Revolution und Konterrevolution, S. 40.
[54] Ebd., S. 41. Auch in dieser Hinsicht fällt Langerhans in seinen
Thesen von 1939 wieder hinter seine Erkenntnisse von 1934 zurück: So
kritisiert er 1939 zwar weiterhin die autoritäre Arbeiterbewegung und
verweist auf die Dialektik von Revolution und Konterrevolution. Die noch
1934 benannte »Monopolisierung des Klassenkampfes« findet jedoch
nur noch am Rande Erwähnung. Faschismus – hier nicht mehr als
Synonym für den Nationalsozialismus gebraucht – erscheint stellenweise
wieder als reines Repressionsinstrument gegen die Arbeiterklasse. Vgl. Langerhans:
Krieg und Faschismus, S. 33 f. Gleichzeitig hat sich auch Korschs Position
verändert: Während Langerhans 1939 nicht optimistisch, wohl aber
hoffnungsfroh auf einen proletarischen Antifaschismus setzt und die Aufgaben
einer zukünftigen antifaschistischen Bewegung benennt, ist Korsch mittlerweile
desillusionierter – und damit zugleich realistischer: »Das einzige,
was ich gegen diese Thesen habe,« so führt er in einem Brief
an Paul Mattick aus, »ist, daß sie zu sehr in jenem ›grand
style‹ gehalten sind, in dem wir alle nach dem ersten Weltkrieg gesprochen
haben. Dazu fehlt mir heute der Mut. Wenn die Keime des ersten ›totalen
Krieges‹ [...] zum Faschismus geführt haben, was entscheidet
dann darüber, daß die Weiterentwicklung dieser Totalität
nicht zu einer neuen Gegenrevolution führt.« Karl Korsch: Brief
an Paul Mattick vom 4. Januar 1940, in: ders.: Gesamtausgabe. Bd. 9, S.
838. Ebenso wie 1935 werden Langerhans’ Thesen auch 1940/41 von Korsch
kommentiert: Beta [Karl Korsch]: The Fight for Britain, the Fight for Democracy
and the War Aims of the Working Class, in: Living Marxism 4 (1941).
[55] Langerhans: Die nächste Weltkrise, S. 21.
[56] Ulrich Enderwitz: Faschismus und Postfaschismus, in: Kritik & Krise
6 (1993), S. 14.
[57] Ulrich Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat. Zur Pathologie kapitalistischer
Krisenbewältigung, 2. Auflage, Freiburg 1998, S. 132.
[58] Ebd., S. 133.
[59] Clemens Nachtmann: Krisenbewältigung ohne Ende. Über die
negative Aufhebung des Kapitals, in: Stephan Grigat (Hrsg.): Transformation
des Postnazismus. Der deutsch-österreichische Weg zum demokratischen
Faschismus, Freiburg 2003, S. 57.
[60] Ebd., S. 62. Eingehender hierzu Enderwitz: Antisemitismus und Volksstaat;
Scheit: Die Meister der Krise.
[61] Vgl. u.a. die Ausführungen von Max Horkheimer: Die Juden und Europa
[1939], in: ders.: Gesammelte Schriften. Bd. 4. Hrsg. v. Alfred Schmidt,
Frankfurt am Main 1988.
[62] Langerhans: Revolution und Konterrevolution, S. 44.
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